Handlungskompetenz und Prüfungen – eine Knacknuss

Ein zentrales Leistungsversprechen der Berufsbildung ist ihre Handlungskompetenzorientierung. Wie konkret dieser Grundsatz aber in der Ausgestaltung von schriftlichen Prüfungen einzulösen ist, damit beschäftigten sich die Lehrpersonen der Juventus Schule für Medizin an einer Weiterbildung im Frühling 2021. Das Input-Referat hielt Dr. Daniel Preckel, Leiter der Schulischen Bildung bei der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern.

Handlungskompetent ist, wer eine berufliche Handlungssituation erfolgreich meistert. Dazu greift die Person auf einen Mix aus Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenzen zu. Dieser Grundsatz auf ein Prüfungssetting angewendet, heisst Folgendes: An Aufgaben, welche die Berufswelt der Kandidatinnen und Kandidaten abbilden, zeigen die Prüflinge ihr Fachwissen («Know-what»), ihr Können bei der Anwendung von Arbeitsprozessen, Werkzeugen und Methoden («Know-how») sowie ihr Verhalten in der entsprechenden Situation (Sozialkompetenz, Verantwortung). Darüber hinaus können sie ihr Vorgehen in der Situation reflektieren. Auswertungen aus empirischen Forschungsarbeiten zur Qualität von Prüfungsaufgaben bei Lehrpersonen zeigen aber, dass der Grad der Handlungskompetenzorientierung bei Prüfungen (und im Qualifikationsverfahren) unterschiedlich ausgeprägt ist: Liegt dieser in den Gesundheitsberufen bei beachtlichen 85 Prozent, tun sich die kaufmännische Grundbildung und der Detailhandel deutlich schwerer damit.

Was ist eine gute Prüfung?

Jenseits von Handlungskompetenzen sollten Prüfungen stets allgemeinen Qualitätskriterien genügen: 1. Sie müssen «gültig» sein, was im Fachjargon heisst, dass sie die Themen abfragen, die für die Prüflinge relevant sind. 2. Sie müssen ferner dem Grundsatz der Fairness genügen: Form und Inhalt entsprechen den schulischen bzw. betrieblichen Lernbedingungen, und ihre Komplexität ist auf die Ausbildungsinhalte abgestimmt. 3. Prüfungen müssen «zuverlässig» sein: Die Prüfungen erfassen das, was sie erfassen sollen, möglichst zuverlässig (d. h. messfehlerfrei). 4. Prüfungen müssen (zeit-)ökonomisch sein, so dass der Erstellungs- und Korrekturaufwand vertretbar ist, ohne dass die Qualität der Beurteilung zu kompromittiert wird.

Was ist eine handlungskompetente Prüfung?

Die Quelle einer kompetenzorientierten Prüfung bieten repräsentative Arbeitssituationen. Entsprechend zentral ist das Sammeln und Beschreiben solcher Berufssituationen und ihrer kritischen Erfolgsfaktoren. Letztere beschreiben die Voraussetzungen und Anforderungen an die Personen, um die Aufgabe professionell zu bewältigen. In einem zweiten Schritt gilt es die jeweiligen Kompetenzen zu benennen, welche zur Bewältigung der Aufgabe erforderlich sind. Dabei gilt es zu beachten, dass bei der Bewältigung einer Aufgabe verschiedene Kompetenzdimensionen zur Anwendung kommen (Methodisches, Fachliches, Sozial- und Selbstkompetenz). In einem dritten Schritt werden die Beurteilungskriterien definiert, welche zeigen, dass die Kompetenzen erfolgreich eingesetzt werden. Oft können die jeweiligen Kompetenzen mittels unterschiedlicher Prüfungsformate und -methoden abgefragt werden. Die knappen Zeitfenster im Unterricht machen bei den Lehrpersonen eine Auswahl der Formate erforderlich.


Entscheidend ist dabei, dass Lehrpersonen eine gewisse Vielfalt walten lassen (und nicht nur schriftlich prüfen). So können die verschiedenen Kompetenzdimensionen beurteilt werden. Die Entwicklung guter Prüfungen setzet, so Referent Daniel Preckel, «intelligentes Nachdenken» und Sorgfalt voraus, denn die Schwierigkeit liege im Detail.

Knackpunkt digitales Prüfen

Die Schule für Medizin der Juventus hat sehr früh digitale Prüfungen eingeführt. Dabei wird die Lernplattform Open Olat eingesetzt. Das ist auf der einen Seite zweifelsfrei begrüssenswert, zumal das Qualifikationsverfahren 2022 bei den medizinischen Praxisassistentinnen und -assistenten erstmals in Teilen digital organisiert wurde und für die Lernenden der Juventus entsprechend keine formale Herausforderung darstellte. Ihnen war das Setting ein Stück weit vertraut. Das digitale Prüfen bietet den Vorteil einer zeitökonomischen Korrektur. Auf der anderen Seite ist die einhergehende methodische «Monokultur» ein erheblicher Nachteil davon. Die Fachgruppen tauschten sich am Weiterbildungstag darüber aus, skizzierten kompetenzorientierte Prüfungsaufgaben und machten so einen ersten Schritt, die Prüfungskultur in den Lehrgängen der Grundbildung der Schule für Medizin zu verbessern.

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